Haben Sie schon Urlaubspläne gemacht? Der Sommer liegt vor uns. Vieles ist möglich. Wir können fahren, fliegen, reisen wohin wir wollen, soweit es unser Portmonee und Bankkonto zulässt. Atlantik oder Alpen, Mittelmeer oder Karibik, Ost- oder Nordsee. Keine staatlichen Grenzen, die uns einschränken. Und das nicht nur im Urlaub. Das war nicht immer so und es ist auch nicht selbstverständlich. Grundsätzlich sind wir frei zu gehen, wohin wir wollen, alles hinter uns zu lassen, was uns nervt und einengt.
So frei wie das alles nach außen scheint, so anders sieht es manchmal ganz tief drinnen aus. Viele kennen das: Wenn’s eng wird, wenn dir die Luft zum Atmen fehlt. Wenn du am liebsten ausbrechen willst. Und keiner merkt es. Vielleicht sagt auch mancher im Ruhestand, das hab ich hinter mir. Das juckt mich überhaupt nicht mehr. Wohl dem. Aber wie oft fühlen wir uns eingeengt in unserem Alltag, zwischen bestimmten Gesetzmäßigkeiten, Meinungen, Interessen.
Ein Psalmvers hat es mir angetan: Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Psalm 31, 9
Da macht der Psalmbeter die Erfahrung, dass trotz seiner total verkorksten Lage es noch mehr gibt. Der Druck ist groß, er ist am Ende und er landet am Ende doch bei Gott. Weil plötzlich gegen alle Erwartung sich etwas ändert. Was ist passiert? Nichts Spektakuläres, nichts Großartiges. Einfach nur die Entscheidung, sich völlig Gott anzuvertrauen. „Ich aber hoffe auf dich“ – heißt es da. Dort, wo wir nicht von der Stelle kommen, wo wir auf der Stelle treten, dort macht Gott den Horizont weit. Wenn wir ihn suchen. Wenn wir ihn als Kompass für unser Leben in Anspruch nehmen. Und je näher wir an ihm dran sind, umso weiter wird unser Blick. Dass wir nicht ängstlich stehen bleiben müssen.Ich staune oft, dass Gott Türen öffnet, wo ich es nicht für möglich gehalten habe. Wo er plötzlich einen Freiraum schenkt, für mich und für Menschen, die er mir anvertraut hat. Wo ich danach suche und endlich auch mal Zeit finde, und sie mir auch nehme. Das ist selten genug. Aber der Urlaub liegt ja noch vor uns in ein paar Wochen. Doch auch im ganz normalen Alltag kann dies geschehen. Kaum bin ich mit einem Dienst fertig, lese ich auch schon eine dringende Nachricht. Jemand bittet um Rückruf. Dank der Kommunikationsmöglichkeiten geht vieles sehr schnell. Aber wir kommen auch oft an unsere Grenzen. Also schnell nach Hause, umziehen, das Nötigste einpacken und wieder los.
Dabei habe ich gemerkt, wie gut es ist, dass Gott Freiräume schenkt, die ganze Strecke bis zum Hausbesuch oder ins Klinikum oder zu einer wichtigen Besprechung zu nutzen, für die Betroffenen, für die Angehörigen, für Menschen in dieser Situation zu beten. Und wenn ich dort bin, werde ich total ruhig. Das ist nicht selbstverständlich und auch keine Routine. Es ist ein Geschenk. Auch wenn Besuche im Klinikum oder bestimmte Trauerfälle seit meinem Crash bei mir immer noch triggern, solche Situationen auf ITS oder Palliativ noch viel mehr unter die Haut gehen. Aber da ist plötzlich dieser Freiraum, zu trösten, zu begleiten, einfach da zu sein. Gott stellt meine Füße auf weiten Raum. Wenn das nicht immer wieder passieren würde, dann hätte ich wahrscheinlich längst aufgegeben. Doch ich kann es nur so bezeugen und dazu Mut machen: An Jesus ganz dicht dranzubleiben, gerade wenn’s eng wird, wenn’s hart auf hart kommt, das gibt meinem Leben Halt und einen tiefen Sinn. Wer, wenn nicht er, kennt uns und weiß wie’s uns wirklich geht. Er weiß, was wir brauchen. Er macht den Horizont weit.
Es muss nicht London, Tokio oder Rom sein. Auch wenn’s da ganz nett ist. Und ich hoffe, Sie finden in diesem Sommer ein Plätzchen, weit oder nicht so weit weg, wo Sie aufatmen können. Gott will uns freisetzen, und er hat es da auf unser ganzes Leben, unser Herz abgesehen.
Ich wünsch Ihnen und euch diese Erfahrung, es so zu erleben und dann so sagen können: „Ja Gott, du stellst meine Füße auf weiten Raum."
Ihr/euer Pfarrer Andreas Hermsdorf